Mittlerweile zum dritten Mal wurde die Cyclocross-Weltmeisterschaft im tschechischen Tábor ausgerichtet. Nach 2001 und 2010 traf sich die Weltelite wieder einmal in der böhmischen Stadt mit ihrer grossen Cross-Tradition. Der Sportkomplex von Tábor am Rande der Stadt wird gesäumt von mehr oder minder unpersönlichen Plattenbauten, die den unerfahrenen Zuschauer zunächst irritieren. Aber durch Freundlichkeit und gute Organisation gelingt es den tschechischen Veranstaltern, auf diesem stadtnahen Gelände ein gelungenes Cyclocrossfest zu veranstalten.
Die profilierten Hügel bieten meist einen schnellen, aber durchaus technischen schwierigen Parcours. Zunächst sah die Wettervorhersage nach frostigem, schneehaltigem Wetter aus, aber an den Renntagen selbst zeigte sich das Wetter von seiner schönen Seite, lediglich beim Damenrennen gab es einen kleinen Schneeschauer. Der Boden war teilweise vom Nachtfrost glatt, aber in den von der Sonne beschienenen Passagen angetaut und weich. Durch diese unterschiedlichen Bodenbedingungen sollte die Reifenwahl für den einen oder anderen Fahrer dann auch zu einem entscheidenden Faktor im Rennen werden.
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Mountainbiker düpiert Belgier
Vor dem Rennen war Eli Iserbyt, der amtierender Europa- und belgische Meister, als haushoher Favorit gehandelt worden. Hatte der junge Fahrer aus Harelbeke doch ausser Namur jedes Rennen, bei dem er am Start war, auch überlegen gewonnen. Aber wie bereits eingangs erwähnt sollte die Materialwahl dem einen oder anderen Fahrer an diesem Wochenende zum Verhängnis werden. Eli Iserbyt hatte sich entschieden, das Rennen auf Allround-Reifen mit Grifo-Profil zu bestreiten, kam aber mit diesen auf dem rutschigen Parcours nur schlecht zurecht. Es dauerte beinahe das halbe Rennen, bis seine Betreuer ein Rad mit den von ihm gewünschten Rhinos, einem Reifen für schlammige oder matschige Untergründe, ausgerüstet hatten.
Mittlerweile baute Simon Andreassen, Mountainbike-Weltmeister aus Dänemark, seine Führung kontinuierlich aus. Er fuhr bis auf die letzte der fünf Runde in jeder Runde die beste Rundenzeit und konnte so am Ende einen Vorsprung von 40 Sekunden auf seine Verfolger herausfahren. Hinter Andreassen, der damit ungefährdet den Weltmeistertitel errang, entspann sich ein packender Dreikampf um die beiden restlichen Medaillenränge. Neben Iserbyt kämpften hier der Niederländer Max Gulickx sowie der US-Amerikaner Gage Hecht um einen Platz auf dem Podium. Die drei schenkten sich nichts, und so dauerte es bis zur Zielankunft, bis es zu einer Entscheidung kam. Zum Schluss konnte ein sichtlich enttäuschter Eli Iserbyt die Silbermedaille vor dem Niederländer Max Gulickx erkämpfen. Für Hecht blieb am Ende der undankbare vierte Rang.
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Allons enfants de la Patrie statt Het Wilhelmus
Man muss lange zurückdenken, um sich zu erinnern, wann einmal nicht Het Wilhelmus zu Ehren der Weltmeisterin im Cross erklang. Die lebende Legende des Radsports und erfolgreichste Rennfahrerin aller Zeiten Marianne Vos war seit 2008 ununterbrochen Titelträgerin. Doch ihr gewachsenes Engagement als Botschafterin für den Frauenradsport erleichtert ihr nicht unbedingt die Vorbereitung auf Weltmeisterschaften. Die sympathische Brabanterin hatte sich zudem in der vergangenen Woche im niederländischen Rucphen eine Zerrung im hinteren Oberschenkel zugezogen. Und so war es nicht verwunderlich, dass sie nach Hoogerheide auch in Tabor nicht in ihrer allerbesten Verfassung unterwegs war.
So waren es plötzlich die französischen Fahrerinnen, die mit Lucie Chainel-Lefevre und Pauline Ferrand-Prevot das Handeln im Rennen bestimmten. Sanne Cant, die bereits vor dieser Weltmeisterschaft ob ihrer Erfolge in den belgischen Cross-Serien und im Weltcup zu den Favoritinnen gezählt wurde, rundete zusammen mit Marianne Vos, der Britin Nikki Harris und der ebenfalls hochfavorisierten Lokalmatadorin Katerina Nash die Spitzengruppe ab. Während Chainel-Lefevre dem hohen Anfangstempo Tribut zollen musste und zurückfiel, lieferten sich die verbliebenen fünf Fahrerinnen das vermutlich spannenste Rennen dieser Weltmeisterschaft. Erst in der fünften und letzten Runde gelang es Ferrand-Prevot und Cant, einen Vorsprung auf die restlichen Konkurrentinnen herauszufahren. Die beiden kamen gemeinsam auf die letzten Meter und lieferten sich nun einen echten Sprint. Lange sah es danach aus, als ob Sanne Cant den grössten Triumph ihrer Karriere einfahren könnte, aber knapp fünfzig Meter vor dem Ziel verliessen sie ihre Kräfte, und sie musste die Französin ziehen lassen. Wenige Sekunden später folgte Marianne Vos, die nach der Zielankunft ihre Teamkollegin und Freundin Ferrand-Prevot minutenlang umarmte und sich mit der blutjungen Französin freute.
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Belgische Ehre gerettet
Nachdem der erste Tag aus belgischer Sicht recht enttäuschend verlaufen war, sollte der zweite Renntag in dem Rennen der U23 endlich der belgischen Equipe den ersehnten Weltmeistertitel bescheren. Nachdem Wout van Aert und Mathieu van der Poel beide beschlossen hatten, ab sofort in der Elite-Kategorie zu starten, waren mit Laurens Sweeck und Michael Vanthourenhout zwei Belgier die Topfavoriten für dieses Rennen. Mit Stan Godrie (Niederlande) und Clement Venturini (Italien) waren jedoch auch zwei Konkurrenten am Start, die man auf keinen Fall unterschätzen durfte.
Zusammen mit dem Niederländer Joris Nieuwenhuis bildete sich schnell eine Spitzengruppe, die das Renngeschehen bestimmte. Eingangs der dritten Runde attackierte Michael Vanthourenhout und versuchte eine Entscheidung herbeizuführen. Er konnte eine kleine Lücke zu den Verfolgern aufreissen, schaffte es aber auch nicht, sich wirklich entscheidend abzusetzen. So musste der Europameister der vergangenen Saison alle Kräfte mobilisiern, um den Vorsprung bis ins Ziel zu verteidigen. Laurens Sweeck, der alles gab, um seinen Landsmann noch einzuholen, überquerte die Ziellinie mit knappem Vorsprung vor Stan Godrie und sorgte so für einen belgischen Doppelsieg.
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Generationswechsel bei der Elite
Nun war es dann also passiert, zwei U23-Fahrer hatten sich kurz vor dieser Weltmeisterschaft entgültig entschieden die U23-Klasse zugunsten der Elite zu verlassen, und die UCI hatte ihrem Antrag ensprochen. Und so kam es dann zu dem mit Spannung erwarteten Auftreten der beiden Shooting Stars dieser Saison, Mathieu van der Poel und Wout van Aert, im Eliterennen der Weltmeisterschaft. Würden die Nerven der beiden Jungen dem Druck bei so einem Event standhalten ? Es gab nicht wenige Auguren, die vorher bezweifelten, dass auch nur einer von beiden die mentale Stärke hätte, bei so einem Rennen ganz vorne zu landen.
Doch zumindest Mathieu van der Poel liess sich von dem ganzen Trubel nicht beeindrucken, übernahm von Beginn des Rennens an die Initiative und setzte so seine Konkurrenten unter Druck. Wout van Aert folgte ihm zunächst, wurde dann aber in der ersten Runde nach Kettenproblemen auf den vierten Rang zurückgeworfen. Währenddessen machte sich eine Gruppe um Tom Meeusen und Kevin Pauwels an die Verfolgung des Niederländers. In der vierten Runde schloss noch Lars van der Haar zu den Verfolgern auf und attackierte in der folgenden Runde, um sich dann alleine an die Verfolgung seines Landsmanns zu machen. Wout van Aert, der nach seinen Kettenproblemen mit grossem Risiko versuchte, zu der Verfolgergruppe aufzuschliessen, kam dabei auch noch zu Fall und fiel zwischenzeitlich bis auf den sechsten Platz zurück. Doch der junge Belgier bewies sein aussergewöhnliches Talent und seinen Kampfeswillen. Er steckte nicht auf, sondern versuchte erneut, die vor ihm Fahrenden zu erreichen. Nachdem er bereits viermal die schnellste Rundenzeit gefahren war, konnte er eingangs der letzten Runde dann unter grossem Jubel seiner Landsleute zu Lars van der Haar aufschliessen.
Mathieu van der Poel ging mit einem beruhigenden Vorsprung in die letzte Runde und konnte das Rennen kontrolliert zu Ende fahren. Freudentränen strömten über das Gesicht des niederländischen Meisters, als er triumphierend die letzten Meter ins Ziel rollte. Im Sprint um Platz zwei konnte sich Wout van Aert gegen Lars van der Haar durchsetzten und errang die Silbermedaille. Trotz des zweiten Platzes war van Aert enttäuscht, denn ob seiner Rundenzeiten hatte er das Gefühl, als bester Fahrer des Tages nicht Silber gewonnen, sondern Gold verloren zu haben. Aber alles hätte, wären und wenn hilft natürlich nichts – es bleibt festzuhalten, dass Mathieu van der Poel ein herausragendes und fehlerfreies Rennen gezeigt hatte und vollkommen zu Recht der jüngste Weltmeister aller Zeiten ist. Und damit ist das Durschnittsalter des Elite-Podiums niedriger als das Podium der U23.