Es ist ein Ort, wo Legenden geschrieben werden. Hoch über Namur thront die Citadelle de Namur. Die wehrhafte Anlage wurde auf einem Hügel platziert, der zur heutigen Zeit die Kulisse für eines der spektakulärsten und schwersten Rennen der gesamten Cross-Saison bereitet. Alljährlich macht hier an dem letzten Wochenende vor Weihnachten der UCI Cyclocross Weltcup Station. Und wie jedes Jahr erwarten die Zuschauer fantastische Rennen von zum Teil epischem Ausmass.
Die Cross Saison in Belgien ist mittlerweile in vollem Schwung, die meisten Fahrer waren noch einmal in einem letzten Trainingslager vor der Christperiode, in der innerhalb kürzester Zeit dutzende Rennen tausende an Zuschauern in ihren Bann ziehen. Aber nicht nur die gesamte Elite, die stetig an den belgischen Rennserien teilnimmt, startet auf der Esplanade de la Citadelle, sondern auch die besten Fahrer aus zahlreichen anderen Nationen nutzen diesen Weltcup für eine erste Positionsbestimmung auf dem Weg zur Weltmeisterschaft.
U23 | Damen | Elite | Gallerie
Erste Überraschung bei den Junioren
Es sah alles zunächst nach „Business as usual“ aus, als der Führende des Gesamtweltcups Jens Dekker in seinem weissen Leadertrikot die Führung und Initiative übernahm. Aber Dekker schaffte es nicht, sich entscheidend von seinen Konkurrenten abzusetzen, und so konnte Jappe Jaspers, der sich nach Pech in der ersten Runde auf dem fünfundzwanzigsten Platz wiederfand, in einer phänomenalen Aufholjagd nicht nur zu Dekker aufschliessen, sondern in der letzten Runde den Niederländer überholen und mit seinem Sieg auch die Gesamtführung im Weltcup übernehmen.
U19 | Damen | Elite | Gallerie
Sieg mit Ansage
Eli Iserbyt war mit dem klaren Ziel nach Namur gekommen: sein Leadertrikot zu verteidigen. Bereits vom Start weg dominierte der Vorjahressieger der U19 das Rennen der U23. Am Anfang konnte sein Teamkollege und Europameister Quinten Hermans noch folgen, musste jedoch auf der schweren Strecke Iserbyt bald ziehen lassen. Der Italiener Gioele Bertollini, der den Weltcup in Valkenburg für sich entschieden hatte, kam immer stärker auf und konnte zu Iserbyt aufschliessen. Zeitweilig sah es so aus, als könnte der Italiener eine Gefahr für das Iserbytsche Ziel werden, aber der Belgier war sich seiner Stärke sicher. „Ich musste nie an meine Grenzen gehen“, so Iserbyt später im Siegerinterview. Und so setzte der Belgier seinen italienischen Konkurrenten schnell wieder auf Abstand und fuhr zu einem ungefährdeten Solosieg. Während Bertolini sich den zweiten Rang sichern konnte, vermochte Quinten Hermans noch den letzten Podiumsplatz zu erringen.
Nikki Harris triumphiert auf der Esplanade
Harris zeigt einmal mehr, dass sie eine ernsthafte Sieganwärterin auf schwersten Strecken ist. Am vergangnen Wochenende konnte sie ihren Vorjahressieg in Spa-Francorchamps zwar nicht wiederholen, sie musste sich ihre Landesgenossin und britischen Meisterin Helen Wyman geschlagen geben. Diesmal jedoch liess sie der Konkurrenz keine Chance. Direkt vom Start weg, setzte sich die sympathische Britin von ihren Konkurrentinnen ab. Im Laufe des Rennens zeigte sie keinerlei Unsicherheiten und errang mit einem deutlichen Soloankunft ihren ersten Saisonsieg.
Hinter Cant konnte sich die relativ unbekannte Französin Caroline Mani den zweiten Platz vor der Italienerin Eva Lechner sichern.
Verliererin des Tages war die sichtlich enttäuschte Sanne Cant. Cant, die nach ihrer Verletzung aus Overijse anscheinend immer noch gehandicaped ist, verlor die Gesamtführung an die drittplatzierte Eva Lechner. „Ob ich wirklich noch Probleme mit meiner Verletzung habe kann ich nicht wirklich sagen. Am heutigen Tag tat einfach alles weh. Nichts funktionierte wie gewohnt. Das Tempo war mit heute viel zu hoch und das ist frustrierend„, so die enttäuschte Europameisterin nach dem Rennen.
Episches Duell der jungen Helden
Wer glaubte, der Renntag könne keinen weiteren Höhepunkte bereithalten, der sollte sich schwer getäuscht haben. Das Rennen der Elite war eins von diesen Rennen, über die man nach vielen Jahren noch reden wird. Es gibt nur wenige Rennen, denen zu Recht ein Attribut wie episch verliehen wird, aber dieses Rennen der Elite gehört definitiv dazu.
Die bisherige Saison drohte mit einem beinahe übermächtigen Wout van Aert schon langweilig zu werden. Aber der Weltmeister Mathieu van der Poel, der nach seiner verletzungsbedingten Pause langsam wieder zu gewohnter Form findet, sollte an diesem Tag der Spannung wieder neues Leben einhauchen.
Zunächst konnte Sven Nys unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer das Rennen mit Wout van Aert und Tom Meeusen anführen. Doch der Weltmeister vermochte schnell zu den Führenden aufzuschliessen, und auch Europameister Lars van der Haar meldete mit einem Angriff seinen Anspruch auf den Sieg an.
Unterdessen mussten sowohl Nys als auch Meeusen dem hohen Tempo Tribut zollen und fielen zurück. Nach einem Sturz von Van der Haar schien Wout van Aert seinen typischen Halbzeitangriff zu starten, aber diesmal konnte Van der Poel folgen. Mit einem Kraftakt vermochte auch Kevin Pauwels noch zu dem Führungsduo aufzuschliessen. In dieser Formation jagte die Spitze Runde um Runde über den Parcours.
Es war die letzte Rennrunde, die die Entscheidung bringen sollte. Zunächst konnte Pauwels nicht mehr dem Höllentempo der beiden Youngster folgen. Mathieu van der Poel hatte in den vergangenen Rennen bereits bewiesen, dass er eine ungeheure Beschleunigung aus seinen Beinen schütteln kann, allein es fehlt ihm noch an Stehvermögen, den gewonnenen Vorsprung gegenüber dem Riesenmotor von Wout van Aert auch zu verteidigen. Und so war der Weltmeister gut angeraten, dem Tip seines Vaters und Ex-Weltmeisters Adrie van der Poel zu folgen, mit seinem Angriff so lange wie möglich zu warten.
Erst am Ende der allerletzten Runde zeigte van der Poel seine extreme Explosivität und erreichte einen minimalen Vorsprung, mit dem er auf die Zielgrade einbog. Mit einer enormen Anstrengung konnte er im abschliessenden Zielsprint Wout van Aert auf Distanz halten.
Nachdem er die Ziellinie überfahren hatte war zu sehen, wie stark der Weltmeister seine Energiereserven angreifen musste, um diesen Sieg zu erringen. Minutenlang lag Mathieu van der Poel am Boden und Rang unter Schmerzen nach Luft.
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